Paulus by Berger Klaus
Autor:Berger, Klaus [Berger, Klaus]
Die sprache: deu
Format: epub
ISBN: 9783406691270
Herausgeber: C.H.Beck
veröffentlicht: 2016-02-12T16:00:00+00:00
Der Heilige Geist
Die Berufungsvision des Paulus bedeutet für ihn Anteilhabe am Heiligen Geist, und wir hatten schon von der apostolisch vermittelten Sukzession der Pneumaträger gesprochen. Damit wird die biographische Verankerung auch dieses Abschnitts deutlich.
Gerade die protestantische Theologie hatte paulinische Kreuzestheologie und den stellvertretenden Sühnetod Jesu stark betont, so aber auch schon die mittelalterliche Leidensfrömmigkeit. Fast völlig dahinter zurückgetreten ist der Heilige Geist. Er ist für Paulus genauso wichtig wie Jesus Christus. Das betrifft vor allem drei Punkte: Zum einen finden sich bei Paulus erste Ansätze dazu, daß der Heilige Geist eine eigene Person ist. Zum zweiten gibt es bei Paulus ein sorgsam austariertes Gleichgewicht zwischen Aussagen über Jesus und solchen über den Heiligen Geist. Zum dritten kann man mit Paulus die gesamte Erlösungslehre einschließlich Ethik und Eschatologie als ein Bekenntnis zum Heiligen Geist lesen.
Die Ursache für diese einzigartige Rolle des Heiligen Geistes bei Paulus ist, daß für ihn der Heilige Geist nichts weniger ist als der in den Menschen anwesende Gott. Geistesgegenwart ist Gegenwart Gottes. Gott ist nicht nur in Jesus Christus Mensch geworden (wie es das Te Deum sagt: «Du scheutest nicht zurück vor dem Schoße der Jungfrau, um die Menschheit zu retten»), sondern ist sich nicht zu schade, als Heiliger Geist in jedem einzelnen Christen zu wohnen. Das gibt es erst seit Jesus Christus. Jedenfalls nach Paulus gibt es vor Christus, auch im Alten Bund, kein Wohnen Gottes als Heiliger Geist in den Menschen.
Zum ersten Punkt: Indem der Heilige Geist für die Menschen bei Gott eintritt und ihr Anwalt ist (Röm 8,26f), handelt er gewissermaßen selbständig gegenüber dem, der ihn gesandt hat. Das Prinzip der Einbahnstraße ist durchbrochen. Der Heilige Geist ist nicht nur zu den Menschen gesandt, ist nicht nur Gabe Gottes an die Menschen, sondern wendet sich als Gottes Geist bei den Menschen mit deren Anliegen und Gebeten Gott zu. Er wird Patron derer, zu denen er gesandt ist. Er dreht sich, vom Himmel gesandt, gewissermaßen um und fleht zu dem, der ihn gesandt hat, für die Menschen. In diesem Bild, das Paulus in Römer 8 gebraucht, wird etwas über Gott selbst gesagt: Er verzichtet um der Menschen willen auf die Durchsetzung seines eigenen Rechts, er nimmt in sich selbst für uns Partei, hört auf unseren Anwalt, der in ihm selbst ist, der er selbst ist. Zweifellos liegen hier die Anfänge der späteren Trinitätstheologie.
Zweitens gibt es ein Gleichgewicht zwischen Sohn und Heiligem Geist. Die spätere Theologie hat dieses Gleichgewicht oft nicht bewahrt. Schon der Kolosserbrief konzentriert sich ganz auf den Tod Jesu und spricht kaum noch vom Heiligen Geist. Wie dagegen Paulus denkt, wird besonders deutlich in Röm 5 und in Röm 8. Nach Röm 5,5 ist Gottes Liebe durch den Heiligen Geist, der uns geschenkt ist, in unsere Herzen ausgegossen. Das begründet unsere Hoffnung, und unser Ruhm liegt gerade in der Drangsal. Nach Röm 5,8 dagegen hat Gott seine Liebe zu uns erwiesen, indem Jesus Christus stellvertretend für uns starb, als wir noch Feinde waren. Und das hat etwas mit Hoffnung zu tun, weil wir in Zukunft gerettet werden.
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